Georg Mühlbauer, ein Heimkehrerschicksal

 Im zweiten Weltkrieg kämpften auf allen kriegführenden Seiten über 80 Millionen Soldaten, 35 Millionen von ihnen, darunter etwa 11 bis 12 Millionen Deutsche gerieten in Gefangenschaft. In der Moskauer Außenministerkonferenz vom April 1947 sollte in der Frage der Kriegsgefangenen eine Einigung erzielt werden.

Bis zum 31. Dezember 1948 sollten die deutschen Kriegsgefangenen nach Deutschland zurückgeschickt werden. Doch bereits ein Jahr später war klar, dass sich die Sowjetunion nicht an diese Vereinbarung halten würde. Zwar wurden in mehreren Schüben bis 1953 immer wieder einige Tausend Kriegsgefangene entlassen, doch erst im Sommer 1955 änderte sich die Haltung der Sowjetunion grundsätzlich, da sie an einer Entspannung mit dem Westen interessiert war. So kamen im Laufe des Jahres 1955 fast 10.000 Heimkehrer nach Deutschland.

Doch erst mit dem Besuch Adenauers in der Sowjetunion wurde das Problem der deutschen Kriegsgefangenen endgültig bereinigt. Auch aus Rosenheim waren zahlreiche Soldaten in Kriegsgefangenschaft geraten. Allein im Jahr 1949 konnte die Stadt 168 Heimkehrer begrüßen. Die letzten Spätheimkehrer erreichten Rosenheim 1955. 

So auch Georg Mühlbauer, den am 15. Oktober 1955 eine große Menschenmenge am Bahnhof begrüßte. Der Russlandheimkehrer traf nach zehnjähriger Gefangenschaft in russischen Lagern mit dem Eilzug aus München in Rosenheim ein. Willkommensgrüße boten dem Spätheimkehrer Oberbürgermeister Überreiter, Korbinian Füglein vom Heimkehrerverband und Lotte Bauer vom Kreisverband des Roten Kreuzes. Sie überreichten dem 33jähren Rosenheimer, der auf dem Bahnsteig noch viele Hände schütteln musste, Blumensträuße. Anschließend wurde Mühlbauer mit dem Dienstwagen des Oberbürgermeisters in seine elterliche Wohnung in die Adlzreiterstraße gefahren. Dort wurde er nicht nur von seiner Mutter empfangen. Die ganze Hausgemeinschaft und die Nachbarn hatten einen Tisch voller Geschenke zusammengetragen.

Georg Mühlbauer war am 30. Dezember 1922 in Kaltmühl geboren worden, das damals noch zur unabhängigen Gemeinde Happing gehörte. Nach dem Tod des Vaters zogen Mutter und Sohn 1929 in die Adlzreiterstraße. 1941, mit 19 Jahren, wurde Georg Mühlbauer zum Wehrdienst eingezogen. Da er im Russlandfeldzug als Obergefreiter eine Zeitlang in der Partisanenbekämpfung eingesetzt war, wurde er von den Sowjets nach seiner Gefangennahme zu 25 Jahren Zwangsarbeit verurteilt. Anfangs im Lager Stalingrad kam er schließlich ins Lager Swerdlowsk.

Georg Mühlbauer hatte 14 Jahre lang Krieg und Gefangenenlager erlebt. Als er 1955 heimkehrte, machte diese Zeit mehr als ein Drittel seines Lebens und seine ganze Jugend aus. Zunächst lebte er bei seiner Mutter, lernte aber schließlich die Witwe Hildegard Käser kennen, die er 1961 heiratete.
In der Sepp-Sebald-Siedlung an der Leibl-Straße, einer Industriearbeitersiedlung, erhielt der gelernte Büchsenmacher mit seiner Frau eine Wohnung.

Aus den Akten ist allerdings nicht nachvollziehbar, wie schnell sich Georg Mühlbauer wieder ins "normale", bürgerliche Leben eingewöhnen konnte. Als die Lokalzeitung im November 1955 fünf Heimkehrer besuchte, erzählte Georg Mühlbauer von der für ihn kaum fassbaren Wandlung des Rosenheimer Stadtbildes. Gesundheitlich durch die Kriegsgefangenschaft angeschlagen, wünschte sich Georg Mühlbauer nach einer Kur in Bad Kissingen einen beruflichen Neuanfang im Metallgewerbe.

Zeitzeuge