Glockenabnahme St. Nikolaus

Neben den Aufrufen zur Zeichnung der 6. Kriegsanleihe und den Nachrichten von der Front konnten die Rosenheimer am 6. März 1917 in der Zeitung von der bevorstehenden Beschlagnahmung aller entbehrlichen Bronzeglocken Rosenheims für "kriegswichtige Zwecke" lesen.
Verantwortlich für diese Aktion zeichneten die stellvertretenden Generalkommandos der drei bayerischen Armeekorps, die bereits am 1. März 1917 eine entsprechende Anordnung erlassen hatten, welche neben einer freiwilligen Abgabe von Bronzeglocken auch eine Bestandserhebung und Enteignung von Glocken vorsah, um das für die Waffenproduktion wichtige Potential an brauchbarer Bronze zu erfassen und einzuschmelzen.

Im Stadtgebiet Rosenheim wurden insgesamt 30 Bronzeglocken mit einem Gewicht von 12.378 kg gemeldet. Allerdings wurden nicht alle Glocken abgenommen und eingeschmolzen, da von vornherein Glocken von historischem, wissenschaftlichem oder künstlerischem Wert von der Konfiszierung ausgenommen wurden.
Genauso wurden diejenigen Stücke, die "momentan für die Bedürfnisse des Gottesdienstes oder für den öffentlichen Stundenschlag erhalten bleiben sollten" von der Abgabe zurückgestellt.

Von den erfassten Glocken blieben somit 18 zumindest vorläufig vor dem Schmelzofen bewahrt. Von den abgenommenen 12 Glocken entfielen 5 Stück auf die Stadtpfarrkirche St. Nikolaus (es blieb nur eine für den Gottesdienst erhalten). Von den beiden Glocken der Spitalkirche wurde eine abgenommen, die andere blieb wegen ihres kulturgeschichtlichen Wertes unberührt.
Außerdem wurden Glocken von der Loretokapelle, vom Leichenhaus und von der protestantischen Kirche abgehängt. Als einziger Profanbau musste das Gymnasium eine Glocke abgeben; die Glocken des Mittertors und des Städtischen Museums wurden von den Gutachtern als Kunstdenkmale zurückgestellt.

Außer der Stadt Rosenheim war auch das Umland betroffen, wobei hier fast die Hälfte der 323 erfassten Bronzeglocken abgenommen wurde. Auch wenn die Glockenabnahme in der Zeitung euphorisch als kriegswichtiges Opfer bezeichnet wurde, stieß die Aktion verständlicherweise nicht durchwegs auf Gegenliebe. Vor allem in den umliegenden Dörfern versuchten die Bewohner den Abtransport ihrer Glocken zu verhindern, indem sie die Glocken vergruben oder anderweitig versteckten. Die Glocken der Pfarrkirche St. Nikolaus mussten jedoch abgeliefert werden und wurden für die Waffenproduktion eingeschmolzen.