Der 1. Weltkrieg und Heimatfront

Rosenheim im 1. Weltkrieg - Im Juli 1918 rief das Rosenheimer Tagblatt "Wendelstein" die Bauer zum Frühdrusch auf. Das war das sofortige Dreschen der neuen bzw. noch bevorstehenden Ernte für die Brotproduktion, denn: "Unsere Bestände an Brotgetreide aus der letzten Ernte reichen nur noch für kurze Zeit und der Tagesverbrauch hat bereits verkürzt werden müssen."

Im Sommer 1918 war in der Endphase des 1. Weltkriegs auch eingefleischten Patrioten klar, dass ein deutscher Sieg nicht mehr zu erringen war. Aber nicht nur an der Front herrschte Not und Verzweiflung, auch in der Heimat hatte Hunger und der Mangel am Nötigsten Einzug gehalten.
Im Frühsommer 1918, als in Rosenheim und anderen Städten die "Spanische Krankheit", also die Grippe grassierte und sogar Todesopfer forderte, und hinsichtlich der Rohstoffknappheit zum Sammeln von Obstkernen und Frauenhaaren aufgerufen wurde (erstere als Ersatzstoff zur Öl-, letztere zur Treibriemen- und Dichtungsringproduktion), war die Situation in nichts mehr mit der euphorischen des Jahres 1914 zu vergleichen.

Allerdings war es bereits zu Beginn des Krieges zu einem krisentypischen Sturm auf die Lebensmittelläden gekommen, der die Preise enorm in die Höhe schnellen ließ und die Rosenheimer Presse mehr als einmal dazu veranlasste, in Zeitungsartikeln zu "ruhigem Blut" aufzurufen. Doch eine rasche Entscheidung des Krieges trat nicht ein, die Teuerung schritt voran, bald war der Großteil der Lebensmittel nur noch mit Ausweiskarten und Marken erhältlich.
Anordnungen des Generalkommandos und des Rosenheimer Magistrats riefen zu Sammlungen kriegswichtiger Materialien auf. Parallel zu den Glockenabnahmen kam es so zur Ablieferung von Zinndeckeln oder Nähgarn; Geld- und Schmuckspenden sollten die "finanzielle Wehrkraft des deutschen Vaterlandes" stärken.

Gravierend wirkte sich auch der Mangel an männlichen Arbeitskräften aus, da ein Großteil der wehrfähigen Männer im Feld stand. So erging bereits im August 1914 ein Aufruf an Rosenheims Hausfrauen, ihre Mägde, soweit sie Landarbeit verstehen, aufs Land zu lassen, wo sie auf den Höfen mithelfen sollten.

Im Laufe des Krieges dehnte sich der Aufgabenbereich der Frauen schließlich auf fast alle Männerberufe aus, zusätzlich zu den Pflegerinnen- und Krankenschwesterkursen, die das Rote Kreuz organisierte. Besonders das Rote Kreuz entfaltete sinngemäß eine rege Aktivität, die sich unter anderem auch auf die Einrichtung von Ostssammelstellen für Liebesgaben erstreckte.
Im Februar 1916 konnte so die 300. Kiste mit "Rosenheimer Liebesgabenpackerln" versendet werden, die alles enthielten, was den Soldaten Freude bereiten sollte, etwa Bleistifte, Spielkarten, Lesestoff oder Schokolade.

Während sich, den Gerüchten von einer angeblichen Bedrohung durch feindliche Flieger und dem anfänglichen Kriegstaumel folgend, in Rosenheim eine Bürgerwehr von bewaffneten Greisen bildete und in Gaststätten wie dem "Deutschen Kaiser" patriotische Veranstaltungen abgehalten wurden, fielen an der Front die Soldaten wie die Fliegen, unter ihnen allein 458 Rosenheimer Bürger. Allein die Rosenheimer Landsturm-Infanterie verzeichnet in ihrer Verlustliste 224 Personen.