Skandalfilm "491"

Es waren aus heutiger Sicht groteske Szenen, die sich im Spätsommer 1964 in Rosenheim abspielten und den Namen der Innstadt, unabhängig von ihrem gleichzeitig gefeierten 100jähigen Jubiläum, in ganz Deutschland zumindest für kurze Zeit in die Schlagzeilen brachte.

Anlass der Aufregung war der schwedische Film "491", der das Leben von sechs straffällig gewordenen Jugendlichen zeigt, die durch ein Erziehungsexperiment wieder sozial eingegliedert werden sollen, was allerdings scheitert.

Der Film übt deutliche Gesellschaftskritik und erzählt seine Geschichte in aller Realistik und ohne wegzuschauen. So spielen dabei Sex, Gewalt und Zuhälterei eine wesentliche Rolle. Die Folge war, dass katholische wie evangelische Vereine vereint auf die Barrikaden gingen und nicht nur in konservativen Zeitungen Befürchtungen über die sittliche Gefährdung junger Menschen ausgesprochen wurden.

Dass besonders Rosenheim in der losbrandenden Protestwelle eine so zentrale Rolle spielte und damit zum "Paradepferd" für den Kampf gegen die Unmoral wurde, ist vor allem der damaligen Stadtverwaltung und dem Oberbürgermeister Sepp Heindl zuzuschreiben, der beharrlich gegen eine Aufführung des Films in Rosenheim eintrat.

Nachdem Heindl auf Einladung des damaligen CSU-Wahlkreisabgeordneten und Landwirtschaftsministers Dr. Joseph Hundhammer, dem Vorsitzenden der Marianischen Männerkongregation Tuntenhausen und einigen Rosenheimer Pädagogen, den Film in München gesehen hatte, versuchte er, die geplanten Aufführungen in Rosenheim zu verhindern.

Der Stadtrat beschloss ein Aufführungsverbot, das jedoch vom Verwaltungsgericht wieder aufgehoben wurde. Daraufhin protestierten über tausend Rosenheimer gegen den Film, Leserbriefschreiber gaben ihrem Unmut Ausdruck, Filmgegner blockierten die Kinoeingänge.

Ausgleichende und liberale Stimmen waren in der Minderheit. Der "Rosenheimer Kinokrieg" ging bundesweit durch die Medien.

Nachdem Heindl mit einem Aufführungsverbot gescheitert war, ließ er sogar Bundeskanzler Ludwig Erhardt auf einer Fahrt durch die Stadt von der Polizei anhalten, um dem Kanzler seine Sorgen zu klagen, was allerdings erfolglos blieb.

Letztendlich erreichten die Protestaktionen das Gegenteil. Zwei Wochen lang standen Filmbesucher Schlange vor den Kinos, "491" wurde in Rosenheim zum Kassenschlager des Jahres 1964.