Gastarbeiter in Rosenheim

Vollbeschäftigung und Arbeitermangel kennzeichnete im Herbst 1962 die Marktlage.

Rund 70.000 Arbeitnehmer waren zu dieser Zeit im Arbeitsamtsbezirk Rosenheim beschäftigt. Obwohl die Zahl der Arbeitnehmer im Vergleich zum Vorjahr um 2.000 höher lag, suchten viele Betriebe immer noch nach Arbeitskräften, von denen immer mehr aus dem Ausland, besonders aus Italien, Griechenland, Spanien und der Türkei kamen.

1962 waren 427 Frauen und 1.726 Männer ausländischer Herkunft in Rosenheim beschäftigt. Davon waren etwa 40 % Italiener, 15 % Griechen, 3 % Spanier und 0,5 % Türken, die vor allem im Baugewerbe im verarbeitenden Gewerbe und in der Metallindustrie arbeiteten.

Ab 1965 wurden verstärkt türkische Gastarbeiter für den Bau und das metallverarbeitende Gewerbe angeworben. So waren im Jahr 1965 bereits 3.813 Gastarbeiter in Rosenheim gemeldet, davon 325 türkischer Herkunft.

Firmen, die Bedarf an Arbeitskräfte hatten, meldeten sich beim Arbeitsamt, das die deutsche Kommission der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung in dem jeweiligen Land verständigte. Diese Kommission übernahm die Kräfte von der ausländischen Behörde, prüfte sie auf fachliche Eignung, ließ sie ärztlich untersuchen und stellte ihnen eine Legitimationskarte aus, die sie zu einem Aufenthalt in Deutschland berechtigte.

Die so geworbenen Gastarbeiter wurden dann per Zug nach Deutschland gebracht. Am Bahnhof übergab sie das Arbeitsamt den einzelnen Firmen, die für Unterkunft in privaten oder Werkswohnungen sorgen mussten. Deshalb baute die Rosenheimer Baufirma Großmann für "ihre" Gastarbeiter, aber auch für die bei anderen Unternehmen beschäftigten Ausländer ein achtstöckiges Hochhaus an der Enzensperger - Hochgernstraße, das fast ausschließlich für die Unterbringung von Gastarbeitern dienen sollte.

Damit wurden "vollwertige" Unterkünfte anstelle der bisherigen Notquartiere geschaffen. Im Bereich des Arbeitsamtes Südbayern war Rosenheim die erste Stadt, die sich um die Freizeitgestaltung der Gastarbeiter kümmerte.

Bereits 1961 wurden Sprachkurse angeboten und im Pfarrsaal von St. Hedwig gesellige Treffen veranstaltet. Im gleichen Jahr wurde in einem stadteigenen Gebäude an der Bayerstraße zunächst ein 35 m² großer Raum zur Verfügung gestellt, in dem an den Wochenenden die Gastarbeiter zusammenkommen konnten.

Später kam ein 78 m² großer Raum hinzu, sodass sich mit Unterstützung einiger Rosenheimer Baufirmen an der Bayerstraße ein Gastarbeiter-Zentrum entwickelte, das von der Caritas und der Arbeiterwohlfahrt betreut wurde. Für das leibliche Wohl sorgte die "Gastarbeiter-Mamma", Frau Bayer, die zu günstigen Preisen Kaffee, Bier und alkoholfreie Getränke kredenzte.

Bis ins Jahr 1975 nahm der Zustrom der Gastarbeiter in Rosenheim kontinuierlich auf 10,5 Prozent der Stadtbevölkerung zu. Die bayerische Staatsregierung hatte bereits beschlossen, den Zuzug von Gastarbeitern in Ballungsgebieten, in denen mehr als 12 Prozent Gastarbeiter lebten, zu untersagen.

Davon betroffen waren die Region München und Städte wie Augsburg und Ingolstadt. Aber auch die Stadt Rosenheim, in der 1975 über 4.000 ausländische Arbeitskräfte lebten, dachte über einen Zuzugsstop nach.