Atelier in der Zimmerstraße 217 1/4 bzw. Frühlingstraße 10
Das Atelier in der Zimmerstraße, ab 1882 mit der Neubenennung der Straßennamen dann Frühlingsstraße, hat seine Anfänge im Jahr 1869 und bestand - unter wechselnden Besitzern - als Photoatelier bis 1906/07.
Karl Boos
Karl Boos kündigt im Dezember 1869 seine Geschäftseröffnung in Rosenheim an 34). Wie die Werberückseite einer Photographie zeigt, muß Boos in Salzburg tätig gewesen sein. Allerdings läßt sich nicht feststellen, ob er vor oder nach seinem Aufenthalt in Rosenheim in Salzburg arbeitete.
Zwischen 1860 und 1865 war Boos in München ansässig, wo er in der Blumenstraße ein eigenes Atelier besaß 35).
1872 verläßt Boos offensichtlich Rosenheim, sein Atelier übernimmt Anton Seif und Company.
Anton Seif & Wenzeslaus Wisocki
Anton Seif kaufte im Mai 1872 36) das Boos'sche Atelier, das er mit einem Partner betrieben hat, wobei das Geschäft immer unter dem Namen Seif & Comp(any), auch Seif & Cons(ortes) geführt wurde 37).
Einer, vielleicht auch der einzige, von Anton Seifs Partnern war der Photograph Wenzeslaus Wisocki (Wiscokky), der in einem rückseitigen Photographiewerbeaufdruck auch als Inhaber des Ateliers Seif & Co. genannt wird.
Wisocky stammte ursprünglich aus Polen, wo er am 17. Dezember 1837 in Wociawek geboren wurde. Seit 1866 war er in Bayern tätig, der Heimatakt nennt Kempten, Mindelheim, Thannhausen und Augsburg als frühere Wohnorte. Seit 1872 ist Wisocky in Rosenheim nachweisbar, wo er nach dem Erwerb der bayerischen Staatsangehörigkeit 1876 das Heimat- und Bürgerrecht erhielt. Am 03. März 1877 meldet er offiziell sein Gewerbe als Photograph an.
Wann Wisocky Rosenheim verlassen hat, kann nicht geklärt werden. Im Januar 1883 wurde er - in sehr schlechtem gesundheitlichen Zustand - aus dem Krankenhaus Leipzig in seine Heimatgemeinde Rosenheim überstellt 38), wo er am 18. April 1884 starb.
Etwa um diese Zeit hat wahrscheinlich auch das Atelier Anton Seif & Comp. zu bestehen aufgehört. Nachfolger war der Photograph Gustav Wild.
Gustav Wild
Gustav Wilds Tätigkeit in Rosenheim läßt sich über eine Zeitungsanzeige im August 1886 dokumentieren 39).
Ein rückseitiger Werbeaufdruck auf einer Photographie gibt Aufschluß über die Geschäftsnachfolge des Ateliers Seif & Co. durch Gustav Wild.
Aus den Meldebüchern geht hervor, daß Wild im Juli 1887 nach Regensburg gezogen ist.
Babette Neumayer
Im August 1887 machte Babette Neumayer den Kauf des Ateliers von Gustav Wild bekannt 40), nachdem sie am 13. August 1887 das Photographengewerbe angemeldt hatte. Babette Neumayer wurde am 21. Februar 1852 geboren. Nach dem Tod ihres Mannes Anton Neumayer im Mai 1886 war Babette im Februar 1887, vermutlich aus Salzburg kommend, zurück nach Rosenheim gezogen.
Zunächst beschäftigte sie im Atelier den Photographen Karl Drechsler, der sich 1889 in der Nachfolge von Eduard Helmstetter selbständig machte. Anschließend war der Photograph Arthur Schmitz als Geschäftsführer engagiert 41), der allerdings nur ein Jahr bei Babette Neumayer tätig war.
Anton Neumayer und Sebastian Baumgartner
1890 übernimmt Babettes Sohn Anton Neumayer das Atelier 42), wobei er ausdrücklich die Beistellung eines tüchtigen Assistenten zusichert. Trotz zahlreicher Werbeinserate (zwischen Juni und September 1890 hat Neumayer im Abstand von jeweils 14 Tagen immer wieder beste Bildqualität zu billigen Preisen garantiert) lief das Geschäft offensichtlich nicht besonders gut. Deshalb stellte Anton Neumayer den Photographen Sebastian Baumgartner als Geschäftsleiter ein, der schließlich selbständig das an ihn verpachtete Atelier leitete 43). Die Firmenbezeichnung A. Neumayer blieb allerdings bestehen44), wohl auch weil Baumgartner die photographischen Arbeiten nicht alle selbst erledigte. Wer hauptsächlich im Atelier tätig war, läßt sich nicht mehr nachvollziehen; die fertigen Photographien scheinen jedenfalls nicht besonders gelungen gewesen zu sein, die Kunden blieben offensichtlich aus. In einer Werbeaktion von Februar bis Juni 1892 mit zehn Inseraten versuchte Baumgartner einen Kundenstamm zurückzugewinnen, indern er versicherte, von jetzt an bei jeder Aufnahme selbst anwesend zu sein 45). Genützt hat es wohl nicht viel; ein Jahr später scheidet Baumgartner aus dem Geschäft aus und zieht nach München. Anton Neumayer verkauft das Atelier an Johann Verra.
Johann Verra
Johann Verra wurde am 18. Dezember 1839 im Südtiroler Ort Penia bei Trient geboren.
Mit der Münchnerin Creszenz Klein war er seit 1871 verheiratet und hatte sieben Kinder 46), von denen zumindest zwei, nämlich der älteste Sohn Otto und die zweitälteste Tochter Pauline den Photographenberuf erlernten.
Johann Verra lebte vor seinem Zuzug nach Rosenheim in Neu-Ulm, dann in Erding, wie die Anzeige seiner Geschäftseröffnung verdeutlicht 47), und ist seit 01. Mai 1893 Rosenheim gemeldet.
Eine Beziehung zu Rosenheim hat für ihn schon deshalb bestanden, weil hier sein Bruder Christian Verra ein eigenes Photoatelier geführt hatte.
Den Kauf des ehemals Neumayer'schen Ateliers machte Johann Verra im Mai 1893 bekannt, wobei er sein Atelier mit verschiedenen Neuanschaffungen als äußerst leistungsfähig empfahl.
Verra konnte offensichtlich Gewinn machen, da er 1906 das Atelier in sein eigenes Haus in der Innstraße 1 verlegte 48).
Johann Verra hat in seinem Geschäft wahrscheinlich seine Tochter Pauline ausgebildet, die nach seinem Tod am 27. Dezember 1906 das Photoatelier in der Innstraße weiterführte 49).