Die Hagelabwehr

Der Gedanke der systematischen Hagelabwehr entstand bereits im 19. Jahrhundert, als bei Manövern und in Kriegen die Entdeckung gemacht wurde, dass Kanonenschüsse auf Niederschläge Einfluss ausüben. In der Steiermark rückte deshalb 1896 ein Weingutbesitzer mit Schießpulver gegen Hagelwolken an, die sich durch die Böllerschüsse auflösten. Um die Jahrhundertwende hatte sich dieses "Wetterschießen" mit Beobachtungsstationen eingebürgert. Allerdings waren die damaligen Methoden ungeeignet. Dadurch geriet das Abwehrschießen wieder in Vergessenheit.

1932 belebte Rosenheim durch die Initiative von Stadtrat Max Streidl die Tradition wieder. Unter der Leitung Direktor Schönewalds von den "pyrotechnischen Fabriken" in Cleebronn (Württemberg) wurden sechs Hagelabwehrversuchsraketen getestet. Doch mit dem zweiten Weltkrieg wurde auch diese Möglichkeit der Unwetterabkehr wieder eingestellt.

Erst ab 1955 wurde die Hagelabwehr mit Raketen professionell durchgeführt, da in einem 50 km breiten Gebiet von den Alpen bis nach Mühldorf 40 % mehr Hagel registriert wurde als in nördlicheren Gegenden. Mit verantwortlich dafür sind die großen Gewässer wie Chiemsee, Starnberger- und Ammersee, die mit großen verdunstenden Wassermassen zur Wolkenbildung beitragen. 1954 hatte Landrat Georg Knott im Landtag den Antrag gestellt, den Landkreis Rosenheim als Versuchsgebiet für die Hagelabwehr mit Raketen zu genehmigen. In den 1960er Jahren wurde dieser Versuch jedoch wieder eingestellt.

1975 startete auf Initiative von Hermann Selbertinger aus Pang die erste Hagelflugabwehr. Vorausgegangen war im August 1974 ein Hagelunwetter, das besonders im Chiemgau Schäden in Höhe von 23 Millionen Mark verursacht hatte. Der ausgebildete Pilot Selbertinger hatte in Colorado in den USA eine Hagelabwehrmethode aus der Luft kennen gelernt, die er auch im Landkreis Rosenheim wagen wollte. Vom Rosenheimer Landrat Knott und aus dem Nachbarlandkreis Miesbach wurde volle Unterstützung signalisiert.

So startete 1975 ein Modellversuch. Selbertinger, Bauingenieur und Besitzer des Vogtareuther Flughafens stellte dafür seine Piaggio 149, eine alte Bundeswehrschulungsmaschine, zur Verfügung, die er nach amerikanischem Vorbild mit selbstgebauten Generatoren für das Silberjodid, mit dem die Gewitterwolken geimpft werden müssen, ausgerüstet hatte. Am 16. Mai 1975 flog er damit seinen ersten Einsatz gegen eine Wetterfront.

Die Kosten für eine Saison beliefen sich damals auf knapp 25.000 Mark, wohingegen heute die Abwehrkosten mit zwei zweimotorigen Flugzeugen, einer modernen Technikausstattung und drei Piloten auf 450.000 Mark geklettert sind.

Damit geriet die Hagelabwehr seit Beginn der 1990er Jahre immer wieder unter Beschuss. Ein Gutachten stellte die Nützlichkeit der Flughagelabwehr in Frage. Auf Grund der massiven Proteste aus der Bevölkerung und der Gründung eines Vereins zur Erforschung der Wirksamkeit der Hagelabwehr konnte sich die Hagelflugabwehr behaupten.

Auch den Absturz eines ihrer Flugzeuge in den Chiemgauer Alpen 1995 konnte sie verkraften. 1998 bekam die Hagelabwehr Unterstützung vom bayerischen Landwirtschaftsministerium und der Verein, der inzwischen über 7.000 Mitglieder vorweisen kann, einen Zuschuss von 50.000 Mark. Die Zukunft der Hagelabwehr im Rosenheimer Raum scheint damit gesichert.