Atomkraftwerk Marienberg

Die Diskussion um den möglichen Standort eines Atomkraftwerks Marienberg begann schon Anfang der 1970er Jahre. Die Isar-Amper-Werke errichteten hier ein Umspannwerk, das stufenweise in Betrieb genommen wurde.

1975 lief die erste Phase an. Zu diesem Zeitpunkt wurde bereits über den Bau eines Kernkraftwerks in dieser Region gesprochen. Auf Anfragen des SPD-Landtagsabgeordneten Walter Schlosser antwortete die Staatsregierung ausweichend, dass zunächst ein Standortsicherungsplan für Wärmekraftwerke erstellt werden müsse. Selbst wenn Marienberg in diesen Plan aufgenommen würde, wäre es nicht sicher, dass dann tatsächlich hier ein Kernkraftwerk gebaut würde.

1978 wies der bayerische Standortsicherungsplan zusammen mit 12 anderen Orten auch Marienberg als Standort aus. Die Frage, ob hier ein Kernkraftwerk oder ein konventionelles Kraftwerk errichtet werden würde, war allerdings noch offen. Der Standortssicherungsplan ging von einem Planungsbeginn um 1985 aus, auf der Basis des Energiebedarfs für die Mitte der 1990er Jahre. Es sei, so der damalige bayerische Wirtschaftsminister Anton Jaumann, aber noch nicht entschieden, ob Marienberg tatsächlich gebaut würde.

Damit begann eine verstärkte Welle von Protesten, die sich quer durch die ganze Bevölkerung zog. Führende Politiker aus Stadt und Landkreis Rosenheim wie Landrat Georg Knott, Walter Schlosser oder der Bürgermeister von Schechen beschlossen, mit "allen legalen Mitteln gegen den Bau eines Kernkraftwerks Marienberg" zu kämpfen. Die meteorologischen Verhältnisse in der Rosenheimer Beckenlandschaft, die Wasserqualität des Inns sowie die noch unabsehbaren Auswirkungen auf die Natur und auf das gesamte Erholungs- und Fremdenverkehrsgebiet waren nur einige Punkte, die die Gegner des Atomkraftwerks Marienberg anführten.

Rosenheim sollte sich als Vorreiter an die Spitze der Proteste setzen. Ziel war die Koordination der einzelnen Gruppen, die sich gegen Marienberg engagierten. Dies waren unter anderem die Bürgerinitiative Rosenheimer Forum für Städtebau und Umweltfragen und der Bund Naturschutz. Aber auch Privatpersonen, allen voran die Rosenheimerin Elisabeth Stechl, widersetzten sich dem Atomkraftwerk.

Vor der entscheidenden Sitzung des Regionalen Planungsbeirats über Marienberg als Standort für ein Kernkraftwerk mobilisierten Stadt und Landkreis Rosenheim in umfangreichen Stellungnahmen alle Kräfte. Schützenhilfe erhielt man auch vom Nachbarn Österreich, der ebenfalls wiederholt Einspruch gegen den Standort Marienberg erhoben hatte. Dennoch passierte der Standortsicherungsplan ohne weitere Diskussionen über die einzelnen Orte den Landtag. Die Rosenheimer Landtagsabgeordneten waren dieser Sitzung ferngeblieben.

28 Jahre steten Protestes, Demonstrationen und Unterschriftsaktionen zeigten endlich Früchte: 1998 versprach Ministerpräsident Edmund Stoiber die Streichung des Standorts Marienberg. Die Gegner des Kernkraftwerkes blieben misstrauisch, zu oft hatten sie sich schon übervorteilt oder falsch informiert gesehen. Entwarnung wurde erst ein Jahr später gegeben, als der Bund Naturschutz auf der Jubiläumsfeier der Kreisgruppe Rosenheim verkünden durfte: "Das Atomkraftwerk Marienberg ist tot".