Friedrich Stoll

Am 14. März 1889 starb Friedrich Stoll. Seit 1865 war er der erste rechtskundige Bürgermeister von Rosenheim gewesen. Bis zur Stadterhebung 1864 war die Gemeindeverwaltung des Markts Rosenheim von ehrenamtlichen Bürgermeistern geführt worden. Während der vierundzwanzig Amtsjahre von Friedrich Stoll entwickelte sich Rosenheim von einem noch stark vom 18. Jahrhundert geprägten Marktflecken zu einer aufstrebenden Kleinstadt an der Schwelle zum 20. Jahrhundert.

Friedrich Stoll wurde am 9. Juli 1836 in Regenstauf als Sohn eines Landgerichtsoberschreibers geboren. Er besuchte in Regensburg und Bayreuth das Gymnasium, immatrikulierte sich 1855 an der Universität München und legte dort 1859 das juristische Examen ab. Seine Praktika absolvierte er am Bezirksgericht München und bei den Landgerichten Obergünzburg und Weidenberg. Im Dezember 1862 bestand Stoll den Staatskonkurs, der dem zweiten juristischen Staatsexamen entspricht, als bester der dreiundzwanzig Kandidaten. Seine nächsten Wirkungsorte waren das Bezirksamt Werdenfels und eine Anwaltskanzlei in Weilheim. Am 28. Januar 1864 wurde er zum Rechtsrat der Stadt Ingolstadt berufen.

Schon vor der am 15. September 1864 erfolgten Stadterhebung des Markts Rosenheim durch König Ludwig II. hatten der Magistrat und das Kollegium der Gemeindebevollmächtigten von Rosenheim beantragt, als Stadt zweiter Klasse anerkannt zu werden. Dies wurde am 12. Dezember vom bayerischen Innenministerium genehmigt, wodurch auch die Wahl eines rechtskundigen Bürgermeisters möglich wurde und der bisherige Bürgermeister Dr. Josef Rieder zurücktreten konnte. Um die ausgeschriebene Stelle des Rosenheimer Bürgermeisters bewarben sich sieben Kandidaten, unter denen sich die Gemeindevertretung am 29. Januar 1865 einstimmig für Friedrich Stoll entschied. Nach der Bestätigung dieser Wahl durch die Regierung wurde Stoll am 15. Februar 1865 in sein Amt eingeführt.

In den folgenden vierundzwanzig Amtsjahren von Friedrich Stoll stieg die Einwohnerzahl Rosenheims von 5398 auf 10.090 im Jahr 1890. Zahlreiche Baumaßnahmen und neugeschaffene Dienstleistungseinrichtungen zeugen vom Modernisierungsprozeß der Stadt ausgangs des neunzehnten Jahrhunderts. 1866 wurde die Schule an der Königstraße gebaut, 1870 bekam Rosenheim die Kreisunmittelbarkeit verliehen.

1872 wurde die städtische Schwimmanstalt errichtet, 1873 konnte man den Neubau des Krankenhauses an der Ell-maierstraße einweihen, seit 1875 wurden Mädchen in der Schule an der späteren Stollstraße unterrichtet. 1871 wurde die Bahnstrecke München-Grafing-Rosenheim in Betrieb genommen, 1876 die Linie Rosenheim-Mühldorf, 1878 brachte die Verlegung des Bahnhofs an seinen jetzigen Platz, gleichzeitig wechselte die Stadtverwaltung vom alten Rathaus am Max-Josefs-Platz in den alten Bahnhof an der Rathausstraße. Seit 1875 wurde in Verbindung mit der Neupflasterung der Straßen die Kanalisation der Stadt begonnen und schrittweise durchgeführt. Die rege kommunale und private Bautätigkeit in der Stadt schlug sich in der Verwaltung durch die Schaffung der Stelle eines Stadtbaumeisters im Jahr 1875 nieder, die Georg Mackert übertragen wurde. Im gleichen Jahr erhielt Rosenheim eine eigene Stadtpost, zwei Jahre später eine Lateinschule, 1880 wurde der Holzhof an der Prinzregentenstraße in Betrieb genommen. Seit 1886 können die Rosenheimer Protestanten in einer eigenen Kirche ihre Gottesdienste feiern.

Seit Mitte November 1863 verfügte Rosenheim über eine Gasfabrik, die zunächst für die Straßenbeleuchtung und das Licht in öffentlich genutzten Gebäuden diente, zunehmend aber auch in Privathaushalten Eingang fand. Am 1. April 1876 übernahm die Stadt den Betrieb der Gasfabrik vom bisherigen Pächter, einer Frankfurter Firma. Noch in Stolls Amtszeit geplant, aber erst nach seinem Tod in Betrieb genommen sind der am 2. Januar 1890 eröffnete Schlachthof und das im Mai 1900 in Betrieb genommene Wasserwerk.

Auch wenn man den Aufschwung, den die junge Stadt Rosenheim zwischen 1865 und 1889 nahm, nicht allein als Verdienst des Bürgermeisters werten darf, der auf Initiativen aus der Bevölkerung, auf eine gute Zusammenarbeit mit der Gemeindevertretung und der Regierung sowie auf Investitionen von Gewerbe-, Industrie- und Handelsbetrieben angewiesen blieb, wird man sagen können, daß Magistrat und das Kollegium der Gemeindebevollmächtigten eine gute Wahl getroffen haben, als sie Friedrich Stoll zum ersten Bürgermeister wählten. Wegen seiner angegriffenen Gesundheit trat Stoll am 26. Februar 1889 einen Erholungsurlaub an. Er starb am 14. März in Folge einer Herzlähmung. Im Jahr 1894 ehrte die Stadt Friedrich Stoll durch die Benennung der Straße zwischen Prinzregentenstraße und Salzstadel.         

Walter Leicht (Oberbayerisches Volksblatt 14. März 1989)