Ehrenbürger Georg Aicher

Viele Jahre hat man es als selbstverständlich erachtet, daß durch die Energie und das Wagnis von Einzelpersönlichkeiten Geschäfte, Betriebe und große Unternehmen entstanden sind. Heute gäbe es jede staatliche Unterstützung, wo Bereitschaft spürbar wäre, neue Arbeitsplätze zu schaffen. Die Ehrung von Männern, die aus dem Nichts, nur durch persönliche Initiativen und Entbehrungen für viele andere Mitbürger durch Firmengründungen „Arbeit und Brot" anzubieten hatten, rückt wieder ins Rampenlicht. Gerade wer aus eigener Kraft etwas geschaffen hat, war sich auch der Pflichten bewußt, die er, den ihm anvertrauten Mitarbeitern gegenüber hatte. So waren es 1912 die Brüder Georg, Simon und Franz-Xaver Aicher, welche eine Holzhandelsfirma gründeten. In deren handelsrechtlichem Rahmen betrieben sie im Alztal und in Niederbayern einige kleine Sägewerke. In diesen Jahren hieß es für Georg Aicher, selbst tüchtig zuzulangen. Seine robuste Gesundheit war ein Teil seines Kapitals; denn in seiner Wiege im Alztal lagen am 15. Februar 1887, dem Geburtstag, absolut keine Reichtümer. Ein unbändiger Tatendrang war die beste Mitgift seiner Eltern.

Die Gebrüder Aicher erwarben 1925, als sich die deutsche Wirtschaft nach der damaligen Währungsreform erneuerte, ein großes Gelände weit außerhalb des Stadtbereiches Rosenheims, in der sogenannten „Sanierung".

Diese Zentralisierung war der Beginn der Industrialisierung für das Unternehmen. Der Produktionsablauf wurde genau geplant, neue Verfahren entwickelt, dem Markt das angeboten, was er für seine Abnehmer nötigt hatte. Der Firmenleitung gelang es, weltweite Beziehungen zu knüpfen. Eine Kolonne von Lastwagen transportierte die Produkte hinaus ins Land und trug den Namen Rosenheim und den der Holzindustrie Gebrüder Aicher mit. Es gab kein Rasten und Ruhen. Nicht sprunghaft, so aber kontinuierlich wuchs das Werk und damit auch die Zahl der Beschäftigten. Zu dem Vorhandenen kamen ein Hobelwerk dazu, eine Parketterie und ein Sperrholzwerk, schließlich noch ein Spanplattenwerk und einige Nebenbetriebe. Große Schäden hinterließ der zweite Weltkrieg, und gleich 1945 ging man an den Wiederaufbau. Als der Stadtrat beschloß, den unermüdlichen Unternehmer zum Ehrenbürger zu ernennen, waren über 600 Mitarbeiter bei Aicher beschäftigt. Den Entschluß faßten die Stadtväter sicher auch deshalb, weil Georg Aicher all seine beruflichen Kenntnisse und Lebenserfahrungen öffentlichen Institutionen zugute kommen ließ. Er war Mitbegründer des Holztechnikums, aus dem sich die heutige Fachhochschule entwickelt hat. Auch bei der Errichtung der Berufsfachschule für Holzwirtschaft war er maßgeblich beteiligt. Georg Aicher wurde in viele leitende Gremien von Fachverbänden berufen. Weiterhin unterstützte er die Entwicklung des Instituts für Holzforschung und Holztechnik an der Universität München. Last und not least war er Mitglied des Deutschen Holzwirtschaftsrates, des höchsten Gremiums dieses Industriezweiges. Für all dies galt die Auszeichnung, die Oberbürgermeister Überreiter in Anwesenheit hoher Persönlichkeiten und der Familie Aicher am 20. März 1957 überreichte. Neben der lokalen Ehrung wurde dem Ehrenbürger 1960 das Bundesverdienstkreuz erster Klasse verliehen. Das Hobby wurde dem passionierten Jäger zum Unglück. Auf der Bergjagd dem Auerhahn nachspürend, erlitt Georg Aicher bei einem Absturz ins Bachbett eine Kopfverletzung. Am 17. April 1967 erlag er den Folgen dieses Unfalls, nachdem er im Februar noch bei guter Gesundheit den 80. gefeiert hatte. Dabei hatten viele Freunde und Bekannte Georg Aicher ihre Verehrung und Dankbarkeit bezeugt "denn er war eine herzhaft liebenswerte Persönlichkeit von aufrechtem Charakter und hilfsbereiter Art" - wie Max Spötzl damals formulierte.

Text von Helmut Braun aus der Broschüre "Die Ehrenbürger der Stadt Rosenheim", Hrsg. Bayerische Hypotheken- und Wechsel-Bank Aktiengesellschaft, München, 1983.