Der Ausschuss des Burschen-Krankenunterstützungsvereins

um 1900
Der Ausschuss des Burschen-Krankenunterstützungsvereins um 1900

Unter den zahlreichen, Ende des 19. Jahrhunderts gegründeten Vereinen nehmen die Krankenunterstützungsvereine eine Sonderrolle ein. Weil es noch keine Krankenversicherung im heutigen Sinne gab, entstanden auf privater Initiative Selbsthilfeorganisationen zur gegenseitigen finanziellen Unterstützung im Krankheitsfall. Besonders Familien gerieten oft in große materielle Not, wenn das Familienoberhaupt erkrankte.
In Rosenheim gab es über ein Dutzend lokal tätiger Versicherungsvereine, die auf dem Gegenseitigkeitsprinzip basierten. Die meisten von ihnen waren von Angehörigen einer bestimmten Berufsgruppe gegründet worden. In Rosenheim bestanden u. a. Krankenunterstützungsvereine der Eisen- und Feuerarbeiter, der Hausmeister, Kutscher und Fuhrleute, der Zimmerer, der Brauer, Schäffler und Brauereiarbeiter und der Salinenarbeiter. Schon 1833 wurde der Rosenheimer „Burschen-Krankenunterstützungsverein“ gegründet. Er zählte bald 50 Handwerksburschen als Mitglieder und unterstützte sie im Krankheitsfall und wenn sie sich auf Wanderschaft begeben mussten. Für seine im Krieg 1870/71 gefallenen Mitglieder stiftete der Verein eine am alten Leichenhaus angebrachte Gedenktafel. Im Stadtarchiv ist ein gedruckter Jahresbericht des Vereins für 1899 erhalten. Der Burschen-Krankenunterstützungsverein zählte damals 311 Mitglieder. Im Lauf des Jahres 1899 traf sich der Verein bei 23 Versammlungen; 13mal kam der Ausschuss, der Vorstand des Vereins, zusammen. An 38 Mitglieder wurde 1899 eine Krankenunterstützung in Höhe von insgesamt 600 Mark ausbezahlt. Ausgaben für Musik, Saalmieten und einen „Glückshafen“ belegen, dass der Verein neben seinen sozialen Zielen auch Unterhaltung und Geselligkeit pflegte. Den Wert der Vereinsutensilien und einer vereinseigenen Leihbibliothek setzte man damals mit einem Wert von immerhin 2500 Mark an. 1. Vorstand war an der Wende zum 20. Jahrhundert der Gärtner Emil Streidl.
Ab den 1920er Jahren ging die Bedeutung der kleinen Krankenunterstützungsvereine durch die Verbesserungen im Sozialwesen und die Expansion der großen Krankenversicherungsgesellschaften zurück. Während der Burschen-Krankenunterstützungsverein seine Vereinstätigkeit in den Nachkriegsjahren einstellte, halten heute in Rosenheim noch einzelne Krankenunterstützungsvereine die Erinnerung an ihren einstigen sozialen Zweck hoch.

Text: Karl Mair
Quelle: Stadtkalender "Bilder aus Alt-Rosenheim", 2012/2

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