Das Wiesentor vor seinem Abbruch

1877
Das Wiesentor vor seinem Abbruch 1877

Auf dem Höhepunkt der spätmittelalterlichen Blütezeit Rosenheims entstand im 15. Jahrhundert der Äußere Markt als frühe Stadterweiterung. Das neue Quartier war von einem Wassergraben umgeben; als Zugänge von Süden und Norden dienten das Inn- und das Wiesentor. Das Wiesentor wurde als Abschluss der Wiesengasse, der heutigen Kaiserstraße, im Jahr 1449 erstmals erwähnt. Das Tor war einst durch einen Torwart besetzt. Neben dessen Wachstube enthielt der Torbau einen Laden sowie eine Wohnung. An der Wende zum 18. Jahrhundert war Georg Wörndl Torwart des Wiesentors. Er geriet 1703 zusammen mit Bürgermeister Johann Rieder in Tirol für kurze Zeit in Gefangenschaft rebellischer Bauern.
Im frühen 19. Jahrhundert veräußerte der Magistrat das Wiesentor, kaufte es aber 1858 wieder zurück. Angesichts des zunehmenden Verkehrs wurde der Torbau inzwischen als Behinderung gesehen. Nachdem bei einer Magistratssitzung im Oktober 1876 der Abbruch des Tores beschlossen worden war, schrieb der „Rosenheimer Anzeiger“ ganz im Sinne des Fortschrittsglaubens während der Gründerzeit: „Die Demolirung des Wiesenthores wurde zum Beschlusse erhoben und wird im kommenden Frühjahre stattfinden. Möchte ihm das Mitterthor baldmöglichst folgen!“
Im April 1877 führte der Zimmermann Georg Ertl die Abbrucharbeiten durch. Mit dem Wiesentor verschwand einer der markantesten historischen Bauten aus dem Rosenheimer Stadtbild. Vor dem Abbruch des Tores wurden noch von beiden Seiten Fotografien angefertigt. Das Kalenderbild zeigt das Tor von der Landstraßenseite aus. Unter den halbhohen Brüstungsmauern seitlich des Torbogens lag der Marktgraben. Der Blick durch den Torbogen fällt auf den Erker des Pernlohner-Bräus. Am linken Bildrand ist ein Stück des sogenannten Sporer-Hauses erkennbar. Das biedermeierliche Wohnhaus wurde um 1905 abgebrochen.

Text: Karl Mair
Quelle: Stadtkalender "Bilder aus Alt-Rosenheim", 2015/5

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